Mutlos, restriktiv, besser als garnichts – Absurditäten des Referentenentwurf des CanG

Dieser Artikel ist ein Update auf den Leak des CanG aus dem Bundesgesundheitsministerium, den ich in einem Beitrag vom 10.05.2023 diskutiert habe. Der aktuelle Referentenentwurf ist am 06.07.2023 auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums veröffentlicht worden und befindet sich aktuell (Stand 21.07.2023) im Gesetzgebungsprozess. Eine digitale Kopie des Entwurfes kann hier heruntergeladen werden.

Er beschränkt sich auf den Aspekt des „Eigenanbaus“ und die absurden Handlungsabläufe, die am Ende dazu führen ob und wie man legal Cannabis konsumieren darf.

Was ist eigentlich Cannabis laut diesem Gesetz?

Sorgfalt ist ein Stichwort, dass häufiger fallen wird, wenn es um die Diskussion dieses Gesetzes geht. In § 1 auf Seite 6 wird definiert, was man unter den verschiedenen Begriffen rund um Cannabis zu verstehen hat. Das ist wichtig um bestimmte andere Paragraphen genauer zu verstehen und offensichtliche Fallstricke zu entlarven:

  1. Marihuana: die getrockneten Blüten und blütennahen Blätter der Cannabispflanze.
    Das, was am Ende im Grinder landet.
  2. Haschisch: das abgesonderte Harz der Pflanze.
    Alles, was mit der Extraktion der Trichome oder ihres Inhalts zusammenhängt.
  3. Stecklinge: Jungpflanzen […], die zur Anzucht verwendet werden […] und über keine Blütenstände […] verfügen.
  4. Vermehrungsmaterial: Samen und Stecklinge von Cannabispflanzen
    Also alles aus Punkt 3 inklusive Seeds.
  5. Cannabis:
    a) Marihuana (Siehe 1.)
    b) Haschisch
    c) Canabispflanzen, Teile von Cannabispflanzen
    d) pflanzliche Wirkstoffe von Cannabispflanzen

    Also alles, was in den Punkten 1, 2 und 3 genannt ist, inklusive Pflanzenmaterial.
  6. Nutzhanf
    Alles, was laut EU Sortenkatalog des jeweiligen Jahres an Hanfsorten angebaut werden kann. Der THC-Gehalt dieser Sorten liegt regelmäßig bei 0,3% THC und ist nur bedingt für diesen Beitrag relevant.

Diese Unterscheidung wird zwar gemacht, aber oft wohl einfach ignoriert. Da wusste die rechte Hand nicht, was die linke definiert hat.

Legaler Eigenanbau scheitert direkt auf Seite 9

In § 3 wird der Besitz geregelt:

Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ist der Besitz von bis zu 25
Gramm Cannabis
zum Eigenkonsum erlaubt. Der Besitz von mehr als 25 Gramm Cannabis
ist nur erlaubt innerhalb des befriedeten Besitztums einer Anbauvereinigung mit einer Erlaubnis nach § 11 Absatz 1.

Referentenentwurf des CanG vom 21.07.2023 §3, Seite 9

25 Gramm, das ist jetzt keine Menge, die man mal eben am Wochenende vernichtet, aber es ist auch nicht die Welt. Ausnahmen gibt es lediglich nach §11 Absatz 1, also wenn man eine Anbauvereinigung ist. Die Begründungen auf Seite 86 konkretisieren das nochmal:

Die erlaubte Höchstbesitzmenge für Erwachsene liegt bei 25 Gramm (Satz 1). Hieran knüpfen auch die Strafvorschriften an, vgl. Kapitel 7. Besitz meint die tatsächliche Sachherrschaft im privaten oder öffentlichen Raum. Darunter fallen der Besitz im Bereich der Wohnung sowie das persönliche Mitführen im öffentlichen Raum. Die Besitzmenge muss ausschließlich für den persönlichen Eigenkonsum von Cannabis durch die unmittelbare Besitzerin oder den unmittelbaren Besitzer bestimmt sein.

Referentenentwurf des CanG vom 21.07.2023 Begründung zu §3, Seite 86

Das zeigt, dass es sich weder um ein Versehen noch um ein Irrtum handelt. Wichtig ist auch, dass hier „Cannabis“ steht, nicht etwa „Marihuana“. Wir erinnern uns: Cannabis ist der Oberbegriff für alles mögliche, das in Bezug zur Pflanze steht. Also ist hier streng genommen auch die Pflanzenmasse nicht blühender Pflanzen im vegetativen Stadium gemeint.

Selbst der Versuch des Eigenanbaus bleibt illegal

§ 36 regelt die Strafvorschriften. Die sind allgemein eine Abmilderung dessen, was im BtmG aktuell steht und stellen mitnichten eine Liberalisierung dar! So steht dort zur maximalen Besitzmenge und Pflanzenanzahl:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 1 oder § 3 Absatz 1 Satz 1 mehr als 25 Gramm Cannabis besitzt,
  2. entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 2 oder § 9 Absatz 1 Nummer 1 mehr als drei weibliche Cannabispflanzen gleichzeitig anbaut, […]
Referentenentwurf des CanG vom 21.07.2023 § 36, Seite 30

Sowie

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1, […] ist der Versuch strafbar.

Referentenentwurf des CanG vom 21.07.2023 § 36, Seite 31

Nochmal: Da steht nicht Marihuana sondern Cannabis. Jeder Grower weiß, dass eine Cannabispflanze zuerst gegrowt werden muss, bis man gesetzlich definiertes getrocknetes Blütenmaterial, also Marihuana besitzt. Das Gesetz ist hier in § 1 recht eindeutig. Diese Sorgfalt der unterschiedlichen Definitionen hat man bei den meisten Strafvorschriften direkt über den Haufen geworfen.

Somit kann man nach dem Gesetz durchaus jeden Versuch des Eigenanbaus als Versuch werten mehr als 25 Gramm besitzen zu wollen. Und das ist strafbar. Das wird auch durch die Begründungen nicht aufgeweicht, da sich der Gesetzgeber hier nicht an die eigene Terminologie halten will. Man legt es sogar recht scheinheilig positiv für den Nutzer aus:

Der Besitz und Erwerb von Cannabis sind nach § 36 Absatz 1 Nummer 1 bzw. Nummer 8
erst bei Überschreiten der Menge von 25 Gramm strafbar. Dies gilt unabhängig davon, ob
das Cannabis auf dem Schwarzmarkt oder auf legalem Weg erworben wurde. Dieser Ansatz ist sachgerecht, um die Strafverfolgungsbehörden zu entlasten sowie aufwendige und
unverhältnismäßige labortechnische Untersuchungen zu vermeiden.

Referentenentwurf des CanG vom 21.07.2023 Begründungen für § 36, Seite 126

Hier fehlt komplett die Ausnahme für privaten Eigenanbau. Wir erinnern uns: Im Leak vom April war das noch enthalten. So hieß es:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer […]

3. unerlaubt im Bereich der Wohnung oder des befriedeten Besitztums eine Jahresernte von mehr als drei Cannabispflanzen besitzt.

Arbeitsentwurf des CanG vom 28.04.2023 § 41 (Strafvorschriften), Seite 31

In diesem Entwurf war das Wort Jahresernte zweimal enthalten und entlastet Homegrower derart, dass eine nicht weiter begrenzte Menge, die „Ernte“ und nicht Cannabis oder Marihuana genannt wurde, zuhause vorgehalten werden durfte.

Dieser Begriff entfällt vollständig im aktuellen Entwurf und macht somit wie dargestellt wurde selbst den Versuch des Eigenanbaus strafbar, da davon auszugehen ist, dass die Pflanzen zwischen Keimung und Ernte mehr als 25 Gramm wiegen. Der drogenpolitische Sprecher Dirk Heidenblut sah sich direkt nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs gezwungen von einer „schlechten Formulierung“ oder „schlechten Überlegung“ zu sprechen. Das Zitat kann man zu Beginn dieses Videos von Hightere Gedanken nachvollziehen.

Growkultur? Fehlanzeige

Die moderne Growkultur von Cannabis ist älter als ich denken kann. Ich will hier auch keine Geschichtsstunde aufmachen. Fakt ist, dass auch dieser Entwurf die Growkultur auf Sparflamme hält. Lassen wir mal den Fauxpas mit der Maximalmenge und den recht lapidaren Umgang mit eigenen Begriffsdefinitionen außer acht, so ergeben sich trotzdem schwerwiegende Einschränkungen:

  • Pflanzenanzahl
    Die Pflanzenanzahl ist auf drei begrenzt. Genaugenommen fällt nach dem Referentenentwurf darunter sogar eine oder mehrere Nutzhanfpflanzen, das wird explizit in den Begründungen zu § 9 Absatz 1( S. 90 ) nochmal spezifiziert, so heißt es: „Erwachsene dürfen bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig in ihrer Wohnung […] anbauen, unabhängig davon, ob es sich um männliche oder weibliche Cannabispflanzen handelt. Alternativ oder damit kombiniert können bis zu drei männliche oder weibliche Nutzhanf-Pflanzen gleichzeitig angebaut werden. Die Anzahl der zulässigen Cannabis- und Nutzhanf-Pflanzen für den privaten Eigenanbau liegt unabhängig vom verfolgten Anbauzweck bei insgesamt drei, um eine einfache Kontrolle zu ermöglichen.“

    Hier wird also eher einer Überarbeit von Kontrollorganen genüge getan, als zum Beispiel nachhaltigen Anbau zu ermöglichen. Jeder Grower weiß, dass man mit Hilfe von bestimmten Anbautechniken seinen Eigenbedarf deutlich einfacher und sparsamer erzüchten kann, als mit der Reglementierung auf die Pflanzenanzahl. Die Community hat sich hier im Vorfeld den Mund fusselig geredet. Wenn nun jeder gewurzelte Steckling als einzelne Pflanze gilt wird hier wohl auf die preisintensive Verwendung von feminisiertem Saatgut zurückgegriffen werden müssen. Ohne Alternative, wenn man nicht in der Nähe eines Anbauclubs wohnt.

    Böse Nachbarn könnten einem auch Hanfsamen aus Vogelfutter in eine schwer einsehbare Ecke des Gartens legen. Man handelt laut Gesetz dann fahrlässig und überschreitet unter Umständen ohne es zu wissen die Maximalanzahl.

  • Phenohunts und Breeding
    Zu einer lebendigen Gowkultur gehört die Erschaffung neuen Saatguts. Das wird es in Deutschland nach Säule 1 außerhalb von Anbauvereinigungen nicht geben. Niemand wird ordentlich kreuzen können, wenn man auf drei Pflanzen eingeschränkt wird. Auch die Verwendung von regulärem Saatgut ist ein Problem, da man sich automatisch strafbar macht, wenn es über drei Pflanzen geht.
  • Erntedankfest
    Cannabiskonsum ist ein sozialer Akt. Das beste Gras aus Eigenanbau wird immer noch in trauter Gemeinsamkeit konsumiert. Auf sog. Sessions trifft man sich und verköstigt das Erzeugnis. Das dürfte nach dem Entwurf auch illegal sein. Man hat dazu extra den vielleicht dümmsten Satz in diesen Entwurf geschrieben. So steht in de Begründungen zu § 9 Absatz 2:“[…] Wird im privaten Eigenanbau angebautes Cannabis im Haushalt der anbauenden Person an Erwachsene wie etwa Freunde oder Bekannte weitergegeben, um es zeitlich unmittelbar im Anschluss in- oder außerhalb der Häuslichkeit der anbauenden Person gemeinsam zu
    konsumieren, oder wird solches Cannabis im Haushalt der anbauenden Person Volljährigen zum gemeinsamen Konsum dargereicht, so ist eine solche Weitergabe straffrei. Die Weitergabe hat unentgeltlich zu erfolgen und darf keine gewerblichen Ziele bezwecken.“

    Das bedeutet mitunter, dass jede Weitergabe eines Joints strafbar ist, außer er beinhaltet Gras aus Eigenanbau in der Wohnung des Growers. Du willst am See deinen Freunden eine Freude machen und einen streuen? Schade, das ist kriminell. Diese Handlung kann von Cops im Übereifer direkt geahndet werden. Erstrecht, wenn man See zum Konsumzeitpunkt auch Kinder und Jugendliche den Teufelssalat erschnuppern könnten. Pafft also besser am ü18 Strand.

  • Austausch von Informationen
    In § 1, Absatz 13 wird definiert was Sponsoring ist. So steht dort: „Sponsoring: jede Förderung von Einzelpersonen, Anbauvereinigungen oder Veranstaltungen in Form von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen mit dem Ziel, der Wirkung oder der wahrscheinlichen Wirkung, den Konsum oder die Weitergabe von Cannabis unmittelbar oder mittelbar zu fördern;
    Ob das Beantworten einer Frage zum Thema Eigenanbau darunter fällt ist nicht wirklich definiert. Jedoch ist es nach § 38 Absatz 2 eine Ordnungswidrigkeit, wenn man Sponsoring betreibt. Der Begriff wird weit gefasst umfasst, jedoch ist unklar ob private Anfragen in Foren schon darunter fallen oder nicht.
  • Extraktverbote
    Ein nicht unerheblicher Teil der Ernte beläuft sich auf Verschnitt. Den Anteil kann man zwar minimieren, aber 100% wegreduzieren lässt er sich nicht. Laut den Begründungen von § 1 8. wird folgendes geregelt: „Die Gewinnung von Haschisch kann durch Absonderung des Harzes aus blütennahen Blättern oder den Trichomen der Cannabispflanze anhand von Reiben, Abklopfen, Abstreifen, Sieben oder mittels Wärme (sog. Rosin-Methode) erfolgen. Die Herstellung von flüssigen Extrakten mit Hilfe von Gas, Alkohol, Wasser oder anderen Lösungsmitteln zählt nicht zu den vom Begriff des Anbaus umfassten Verarbeitungstechniken, da flüssige Extrakte sowie Cannabisöle aufgrund ihrer Konzentration in der Regel einen besonders hohen THC-Gehalt erreichen, welcher zu erheblichen Gesundheits- und Suchtrisiken führen kann. Flüssige Extrakte und Öle dürfen deshalb nicht hergestellt werden.
    Erstens wird Wasser fälschlicherweise als nicht mechanisches-Lösungsmittel bezeichnet, es ist einfach verboten etwas anderes als Charas, Dry-Sifting oder Rosin herzustellen. Steht also in der Nähe deines Homegrows eine Reisewaschmaschine oder ein Gefriertrockner machst du dich direkt verdächtig.

Fazit

Das Gesetz ist nicht nur in Hinblick auf (vorgeblich) legalen Eigenanbau mit wenig Sorgfalt ausgearbeitet worden. Ich bin kein Jurist, aber jeder Gymnasiast mit ein wenig Textverständnis findet hier die absichtlichen oder unabsichtlichen Fallstricke dieses Aufschriebes. Angesichts der Tatsache, dass es sich angeblich um einen super-komplexen Vorgang handelt, der den Tätigkeitsbereich von acht Ministerien der Bundesrepublik berührt, ein Armutszeugnis, der offenbar nicht wirklich gegengelesen wurde. Es ist eine einzige Baustelle, der die bloße Existenz jeder Anbau- und Konsumkultur ignoriert. Es ist maximal ein Anfang vielleicht guter Wille? Man wird sehen, was am Ende übrig bleibt. Die Goalposts der Debatte sind auf jeden Fall eher im Feld der Prohibitionisten. Der Paradigmenwechsel in der deutschen Substanzpolitik bleibt aber auf der Strecke. Zurück zum Absender.

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