Wichtige Erkenntnisse der Canadian Cannabis Survey 2022

Um die Auswirkungen des Cannabisgesetzes in Kanada zu bewerten, sind detaillierte Informationen darüber erforderlich, wie die Kanadier Cannabis sehen und verwenden. Diese Informationen tragen dazu bei, Politik- und Programminitiativen zu entwickeln, die die Öffentlichkeit besser aufklären und sensibilisieren können.

Um diese Informationen zu sammeln, hat Health Canada die Canadian Cannabis Survey (CCS) ins Leben gerufen. Die CCS zielt darauf ab, umfassende Daten über das Konsumverhalten von Cannabiskonsumenten und deren Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis zu sammeln.

Seit dem Jahr 2017 wird die CCS jährlich durchgeführt und untersucht verschiedene Aspekte des Konsums von Cannabis, darunter die Menge an konsumiertem Cannabis und dessen Verwendung zu medizinischen Zwecken. Darüber hinaus werden auch Fragen zum Cannabismarkt, wie Cannabisquellen und Preise, sowie zur öffentlichen Sicherheit, wie z.B. Fahrtüchtigkeit, untersucht. Der Inhalt der Umfrage wird jährlich überarbeitet und angepasst, um vorhandene Lücken in den Daten zu schließen.

Methodtik der Studie

Insgesamt hat man 10000 Kanadier befragt. Davon waren 850 Befragte 16-19 Jahre alt, 1174 zwischen 20 und 24 und 8024 älter als 25 Jahre alt. Von den Befragten gaben etwa 3500 (35%) an letztes Jahr Cannabis konsumiert zu haben. Zwischen den Geschlechtern wurde bei der Befragung auf Parität Rücksicht genommen.

Allgemeines Wissen über Schäden im Zusammenhang mit Cannabis

Egal ob Konsument oder nicht, die Kanadier sind sich einig, dass sich Cannabisrauch bzw. frequenter Konsum negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Besonders verbreitet ist die richtige Ansicht, dass Teenager bei Konsum einem höheren Risiko ausgesetzt sind. 73% der Kanadier haben das Gefühl jederzeit Zugang zu vertrauenswürdigen Informationen zu Cannabis bekommen zu können. Bei den Cannabisnutzern lag dieser Wert sogar bei 88%, bei nicht-Konsumenten immerhin bei 66%.

Die Wahrnehmung bezüglich Warnhinweisen zur Gesundheit (z.B. Angaben auf der Packung von Produkten oder in Werbung) liegt hingegen eher niedrig bei etwa 29%. Informationshinweise, die beim Einkauf sichtbar im Fachgeschäft ausgelegen haben, nahmen nur 10% der Befragten wahr, fragt man nur die Konsumenten lag der Wert bei etwa 18%.

Die Wahrnehmung von Aufklärungskampagnen beschränkt sich verstärkt auf den Online-Bereich oder dem Besuch einer Arztpraxis, eines Krankenhauses oder einer Apotheke. In der Öffentlichkeit nehmen nur 14% der Befragten Aufklärungskampagnen wahr. Auch hat die Wahrnehmung von Aufklärungskampagnen insgesamt abgenommen. „Keine Wahrnehmung“ haben in der Umfrage von 2021 nur 39% der Befragten angekreuzt. Es scheint, als ob Aufklärungsarbeit nicht mehr so stark wie früher in die Öffentlichkeit getragen wird. Auch die Glaubwürdigkeit der Aufklärung hat gelitten: Während 2021 noch 79% der Befragten die Informationen von Aufklärungskampagnen als glaubwürdig wahrgenommen hat, sind es in 2022 nur noch 69%.

Werbung für Cannabisprodukte nahmen nur etwa die Hälfte der Befragten überhaupt wahr. Die meisten (24%) direkt außen an einem legalen Fachgeschäft. Ansonsten wird verstärkt online auf Werbung gesetzt, im TV/Radio sowie im öffentlichen Raum haben nur etwa 10% angegeben Werbung mit Cannabisbezug wahrgenommen zu haben.

Versehentlicher Konsum, Passiver Cannabiskonsum und soziale Akzeptanz, Cannabiskonsum in der Schwangerschaft

2022 wurde zum ersten Mal gefragt, ob es im Haushalt der Befragten durch Menschen oder Haustiere zu versehentlichen bzw. unbeabsichtigtem Konsum kam. 1% der Befragten hatten hier mit „ja“ geantwortet. Etwa die Hälfte (etwa 50 Studienteilnehmer) gaben an, dass dabei ein Haustier involviert war. Bei 13% hingegen ein Teenager. Für versehentlichen Konsum von unter 13-Jährigen war die statistische Signifikanz zu klein um eine verlässliche Aussage zu treffen.

Beim passiven Cannabiskonsum durch Rauch oder Dampf gaben 44% an, im letzten Monat in der Öffentlichkeit betroffen gewesen zu sein. 2021 hatten hier nur 33% positiv geantwortet. Passivrauchen oder Passivdampfen im Auto oder in der Schule, bzw. im beruflichen Kontext haben haben etwa 6-7% erlebt.

Die soziale Akzeptanz von Cannabiskonsum ist in Kanada deutlich höher als Nikotinkonsum, aber immer noch niedriger als zum Beispiel Alkoholkonsum. Gesundheitliche Aspekte werden hier offenbar noch einer Alkoholkultur untergeordnet. Die Tatsache, dass Cannabis hier überhaupt einen Platz zwischen den etablierten legalen Substanzen Tabak und Alkohol findet, spricht für eine Verschiebung sozialer Normen.

Die deutliche Mehrheit der Befragten (86%) gab an, dass Cannabiskonsum in der Schwangerschaft von ihnen keine Zustimmung erhielte. Unter Schwangeren oder Müttern haben 96% nach einem positiven Schwangerschaftstest nicht mehr konsumiert und 94% das auch während der Stillzeit unterlassen.

Bei den etablierten legalen Substanzen Alkohol und Tabak bzw. Nikotin sind sich fast alle einig (77-95%), dass bei regelmäßigem Konsum ein Risiko besteht. Das wahrgenommene Risiko für regelmäßige Cannabisnutzung hingegen unterscheidet sich deutlich, je nachdem ob man einen Konsumenten fragt oder nicht. Bemerkenswert ist auch, dass unabhängig vom persönlichen Cannabiskonsum das Risiko der regelmäßigen Cannabisnutzung als geringer angesehen wird als das von Alkohol oder Tabak bzw. Nikotin.

Cannabis in Canada – wer, wie oft, was, wann, warum?

In Canada hat etwa jeder 4. letztes Jahr irgendeine Form von Cannabisprodukt zu sich genommen. Männer etwas häufiger als Frauen. Cannabis ist eher bei jüngeren Menschen beliebt – die Nutzung wird aber auch bei den älteren Kanadiern von Jahr zu Jahr prominenter.

Etwa ein Drittel der Cannabisnutzer in Kanada konsumieren weniger als 1-mal im Monat. Die andere große Gruppe, etwa ein Fünftel, nutzt Cannabis hingegen täglich. Die Spanne dazwischen verteilt sich recht kontinuierlich. Es bestätigt aber die Theorie, nach der nur wenige tägliche Konsumenten für den Verbrauch eines Großteils der absolut benötigten Cannabismenge verantwortlich sind.

Besonders wichtig für die Diskussion um gesundheitliche Risiken ist die Statistik nach den verwendeten Cannabisprodukten. Während sich der Konsum in illegalisierten Ländern oft auf Blüten oder Haschisch/Kief beschränkt werden in Kanada die Marktanteile von Edibles, Vape-Pens oder auch Cannabisgetränke immer relevanter. Das Bewusstsein für niederschwellige, weniger gesundheitsschädliche Konsumformen scheint im legalen Cannabis also anzusteigen.

Im Vergleich zu Deutschland ist man in Kanada dem Mischkonsum von Tabak und Cannabis eher abgeneigt. So mischen nur 17% Cannabis und Tabak standardmäßig miteinander. Der Mischkonsum von Alkohol und Cannabis ist in Kanada weiter verbreitet.

Fragt man diejenigen unter den Befragten, die Cannabis konsumiert haben, nach positiven oder negativen Effekten überwiegt hier über das Spektrum hinweg die Wahrnehmung, dass sich Cannabis eher positiv oder nicht wahrnehmbar auswirkt. In Bezug auf mentaler Gesundheit und Lebensqualität scheint sich der Konsum sogar positiv auszuwirken. Auch bei Schule und Job sind Auswirkungen eher positiv oder gar nicht wahrnehmbar.

Auch was Bezugsquellen angeht entwickelt sich Kanada entgegen der vorherrschenden Meinung von Prohibitionsbefürwortern. Während der Bezug aus legen Quellen stetig zunimmt, wird der Schwarz- bzw. Graumarkt immer irrelevanter. Auch der Homegrow, der hierzulande oft mit übertriebener Vorsicht oder Regulierungswut diskutiert wird, nimmt nur einen Nebenschauplatz von konstant unter 10% beim Cannabisvertrieb ein.

Die Kanadier wurden gefragt, ob jemand in den letzten 12 Monaten Cannabispflanzen in oder um ihre Wohnung herum angebaut hat. Insgesamt gaben 6 % der Kanadier und 14 % derjenigen, die in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert hatten, an, dass sie in oder in der Nähe ihrer Wohnung Cannabispflanzen angebaut hatten; beide Zahlen sind gegenüber 2021 unverändert. Neu im Jahr 2022 war die Frage, ob die Person, die Cannabis anbaut, von Health Canada eine Genehmigung für den Anbau zu medizinischen Zwecken für sich selbst oder für eine andere Person erhalten hat. Zwanzig Prozent (20 %) gaben an, dass die anbauende Person eine Genehmigung hatte. Von den Personen, die angaben, dass sie derzeit Cannabispflanzen in oder in der Nähe ihres Wohnsitzes anbauen, lag die durchschnittliche Anzahl der Pflanzen bei 3,5, unverändert gegenüber 2021. Wir fragten auch nach der Anzahl der Pflanzen, die in den letzten 12 Monaten innerhalb und außerhalb des Hauses angebaut wurden. Die durchschnittliche Anzahl der Pflanzen, die draußen angebaut wurden, lag bei 3,1, und die Anzahl der Pflanzen, die drinnen angebaut wurden, bei 3,9, beides unverändert gegenüber 2021.

Fragt man beim Schwarzmarkt nochmal genauer nach, so geben nur 5% an diesen als einzige Bezugsquelle zu nutzen. 67% geben an nie auf diesen zurückzugreifen. Etwa 48% geben an immer eine legale bzw. lizensierte Quelle zu nutzen. Dazwischen liegt wohl irgendwo der eigene Homegrow bzw. die Bitte von Freunden „etwas mitzubringen“.

Der kanadischen Kundschaft ist vor allem der Preis der angebotenen Produkte wichtig. Dicht gefolgt von einer sicheren Versorgung und der Qualität des Produkts. Legalität oder auch ein hoher THC-Gehalt sind eher drittrangig angesiedelt, wobei hier zu beachten ist, dass vor 2017 keine Legalität und keine Informationen über THC-Gehalte vorlagen.

Ein Special dieses Jahr war das 5-Jährige Jubiläum der CCS. So wurden einige wichtige Items über diesen Zeitraum abgebildet. Während der Konsum im legalen Zeitraum von 22% auf 27% zunahm, so ist diese Zunahme am ehesten auf die Altersgruppe der ü25-jährigen zurückzuführen. Die Konsumhäufigkeit der 16-19 Jährigen ist auf das Niveau von 2018 zurückgefallen, was vor allem für Prohibitionsbefürworter ein wenig nachvollziehbarer Effekt ist.

Die Tatsache, dass Cannabiskonsum zur Gewohnheit werden kann hat sich auch erst mit der Legalisierung bei den Konsumenten etabliert. Während bei den Konsumenten der Effekt im Jahre 2018 nur bei 71% lag, war man im Jahre 2020 schon bei 93%. Das kann vor allem daran liegen, dass Stigmatisierung abgenommen hat und eine ehrliche Diskussion in der Bevölkerung mit der Legalisierung möglich gemacht wurde. 2022 waren sogar mehr Konsumenten als nicht-Konsumenten der Ansicht, dass Cannabiskonsum zur Gewohnheit werden kann. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, haben die Konsumenten ja schon beantwortet.

Bei der Fahrzeugnutzung hat definitiv auch eine Veränderung stattgefunden. Während sich kurz nach der Legalisierung noch vermehrt Menschen unter dem Einfluss von Cannabis ans Steuer gesetzt haben, ist diese Praktik mit dem legalen Bezug deutlich zurückgegangen.

Fazit

Daten sind wichtig um sich einen Überblick zu verschaffen und seine eigenen Glaubensgrundsätze bezüglich einer Thematik zu hinterfragen oder zu stärken. Legaler Cannabiskonsum und seine Auswirkungen sind davon unbenommen. Es hilft aber auch dabei einigen allzu militanten Verteidigern der Prohibition von psychotropen Substanzen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Kanada macht vor, was dafür notwendig ist: Jährlich nachfragen und nüchtern evaluieren.

Zum Vergleich: Deutschland macht diese Umfrage auch, aber nur im Rahmen der epidemiologischen Suchtsurvey. Diese auch nur alle drei Jahre und auch nur für Alkohol, Tabak und dann nochmal für alle anderen Substanzen zusammen. Genauer Hinsehen würde auch hierzulande helfen ein realistischeres Bild von Cannabiskonsum und seinen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu zeichnen.

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