Recap: Mary Jane 2024

(Nicht alles, was ich hier schreibe entspricht der Wahrheit.)

Berlin im Juni 2024, es ist mal wieder Zeit für die Mary Jane. Deutschlands, vielleicht sogar Europas größte Messe zum Thema Cannabinoide, Dissoziativa und Psychedelika. Ja richtig, Pilzwirkstoffderivate gabs diesmal auch! Die Entkriminalisierung war nur eine Randnotiz im April. Wen interessiert schon Hanf, wenn man halbsynthetisch gewonnene Moleküle aus Premiumlaboren ohne Regulierung für wenig Geld auf der Veranstaltung erwerben kann?

Es ist 14:30 Uhr an dem Tag – ich bin spät dran, die Türen sind seit 11 Uhr geöffnet und ich hoffe, dass ich noch ein paar exklusive Proben der begehrten Produkte ergattern kann. Ich fahre zur Messe.

Irritiert bin ich im Vorfeld vor allem von der Community. HHC Produkte waren auf der Messe nicht erlaubt. Was für ein Unsinn! Das hat eine Sprecherin der Messe in einem Podcast mit dem Deutschen Hanfverband klargestellt, ja auch wirklich stichhaltig deutlich gemacht: HHC gefiele der Community nicht. Danach hat man sich gerichtet. Alles andere war erlaubt – solang man es an den Ständen entsprechend gekennzeichnet hat. Es geht also einfach um die Abkürzung, denke ich. HHC, „Haha“, als würde man mich auslachen. THC-P ist eh viel cooler, das THC soll wohl eine Referenz auf irgendeinen Wirkstoff in den Harzdrüsen irgendeiner Blume oder so sein. Das P steht für Power. Das spricht mich an, dafür gehe ich auf die Messe.

Es ist 15:00 Uhr. Berlin, Messegelände. Ich bewege mich auf den Haupteingang zu. Vor der Messe stehen zwei Lamborghinis, die von den pestiziderfahrenen Backpack Boyz als Marketingobjekte da platziert wurden. Die Mary Jane Messe hat gute Erfahrungen mit Lambos als Werbemittel. Ich denke wehmütig an die etwa 500 Millionen Euro, die ausgefuchste Anleger in einem wirklich exzellent durchdachten Multilevel-Marketing-Scheme namens Juicy Fields damals gewinnbringend investiert haben. Ich war damals zu feige mitzumachen und ärgere mich ein bisschen darüber. Egal! Der nächste Hype steht schon vor der Tür! Rein in die Messe.

Mein erster Fauxpas direkt am Einlass. Businessbesucher müssen sich extra anmelden. Alle anderen Einlässe sind frei, ich stehe trotzdem an der Schlange, da die Businessakkreditierung unterbesetzt ist. My bad! 20 Minuten später halte ich ein Bändchen mit einer Papierkarte in der Hand auf die Ich nicht ohne stolz die Abkürzung meiner Brand mit einem roten Edding eintrage: HGP. Nochmal den QR Code scannen, Bändchen ans Handgelenk und rein ins Gewühl.

Direkt hinter dem Einlass ignoriere ich die Leute vom Hanfmuseum. Was wollen die hier eigentlich mit ihren Seilen und lustigen alten Abbildungen? Schifffahrt wäre ohne Hanf nicht möglich gewesen? Ich habe noch nie einen Öltanker gesehen, der mit Hanf gefahren ist. Komische Truppe – und meine THC-P Riegel, auf die ich so geier, hat hier auch keiner. Also erstmal an die Karte mit den Ständen. Ich suche nach OnlyGrams – eine Abwandlung von OnlyFans, nur mit „Grams“. Ich gluckse fröhlich, wie immer, wenn ich so einen Wortwitz wahrnehme. Das sind einfach Marketingprofis. Die Hoffnung endlich mal einen von diesen Markt-Disruptoren die Hand zu schütteln, erregt mich.

Ich bin immer noch unter Strom. Der Bundesrat hat zum 14. Juni einige Cannabinoide in der fünften Anlage des NpSG verboten – das wäre ja heute! Ist überhaupt noch was da? Ich fange an zu schwitzen und mich durch die Menge zu schieben. Es ist sehr voll, was ich gut verstehen kann, schließlich ist es die letzte Chance sich nochmal legal einzudecken. Ich drängele mich vorbei an seltsamen Ständen: Cannafleur, eine CBD-Farm aus Österreich, die tatsächlich das pure Kraut vom Feld vertreiben. Solang die ihre Blüten nicht mit unregulierten Liquids aus einem der Chemielabore an der tschechischen Grenze besprühen, wüsste ich nicht, was ich damit soll. Riecht eh alles nach Füßen, da hat meine Frau schon recht. Zwischen dem Stand eines Vertriebs für Anbaubeleuchtung und Substrat raunt mir jemand zu, dass es am Stand gegenüber „Rosin“ und „Flower“ gäbe. Der Fußgeruch und die Mondpreise schrecken mich ab, viel zu teuer. Ich will einfach high sein und keine 120€ pro Gramm für etwas zahlen, das riecht wie mein Wäschekorb! Nach einer gefühlten Ewigkeit dann die Rettung: Das unverkennbare blau von OnlyFans, ich meine OnlyGrams. Ich decke mich erfolgreich ein und schlage noch beim Nachbarstand zu, der ebenfalls Schokolade und andere Snacks verkauft, die ein Derivat von Muscimol oder Psilocybin enthalten. Ich hab keine Ahnung was das ist, aber Pilz ist Pilz, oder? Zum Schluss hole ich mir auch noch ein paar Samen der OnlyGrams Sorten Gorilla XL und Wedding Cake. Hab erst im Nachhinein festgestellt, dass ich die Pflanzen anbauen muss und dann auch nur THC produziert wird. Wer hat dafür Zeit? Dafür steht auf der Verpackung „Premium Genetik“. Vielleicht ist das was für meine Kiffer-Freunde, die noch in der Vergangenheit leben. Neben mir fragt eine ältere Dame die OnlyGrams Mitarbeiter, was denn H4CBD, THC-P und HHC seien und wie das wirkt. Die Studienlage sei dünn, aber die Kunden sind überzeugt. Ich lache sie innerlich aus, warum geht sie hier her, wenn sie keine Ahnung hat? Schnell weg und weiter.

Auf der Messe gibt es noch einen großen Außenbereich mit ein paar Sitzgelegenheiten, um meine halbsynthetischen Cannabinoide zu verköstigen. Ich verspeise auf dem Weg nach draußen ein paar der leckeren Pieces. Auf der Suche nach meinen Freunden, fallen mir immer wieder Sanitäter auf, Sirenengeheul liegt in der Luft. Da haben sich wohl ein paar Neulinge übernommen. Selbst schuld!
Am Stand von Zamnesia sehe ich schon ein paar Vertreter aus meinem Discord. Die HGP-Crew erwartet mich freudig. Wir machen uns in gewohnter Weise ein wenig über die Licht- und Substratanbieter lustig – Erde und Sonne gibt’s doch kostenlos, oder? OnlyGrams beginnt zu wirken. Ich rümpfe etwas die Nase, da der Fußgeruch hier draußen allgegenwärtig ist. Wer im Jahr 2024 noch Cannabisblüten in Joints rollt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Meine Sicht verengt sich langsam, als das THC-P in üblicher Ediblemanier seine Wirkung entfaltet. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie ein junger Mann aus meiner Community langsam wankt, hinfällt und sich übergibt. Ich winke routiniert einen Sanitäter heran – so ist das eben mit Research Chemicals und ich danke dem Bewusstlosen still für seinen Einsatz für die Wissenschaft.

Vom Rest des Tages weiß ich nicht mehr viel. Ich war einfach zu dicht von OnlyGrams und das zu einem absoluten Spitzenpreis! Glückselig falle ich in mein Bett. Den Eimer daneben brauche ich heute nicht, trotzdem nuschel ich meiner Frau ein Dankeschön ins Gesicht, während ich wohl in voller Montur aber ohne Hose und einem Rucksack voll unregulierter Breitmacher ins Bett falle.

Es ist Samstag, der 15. Juni. Ich wache in einer Pfütze aus Speichel auf. Mein Gesicht klebt an meinem Laken und der Laptop in meinem Rucksack hat sich in der Nacht in meinen unteren Rücken gebohrt. Junge, war ich weg! Kann schonmal passieren, wenn man keine Ahnung hat, was man da eigentlich zu sich nimmt. Noch ein wenig entrückt schaue ich auf mein Handy. Die Mary Jane meldet sich bei Instagram: Der Krankenwagen musste wohl dutzende Male ausrücken und der OnlyGrams Stand wurde von der Polizei besucht? Ich kann es kaum fassen und richte mich auf. Lohnt es sich heute nochmal hinzugehen? Ich beschließe, dass ich es versuche. So viel Open-Blackmarket Aktivität, wie es gestern schon gab – da soll mich doch der Blitz beim Scheissen treffen, wenn ich nicht absolut krasse Sonderangebote von den jüngst illegaliserten Produkten abgreifen kann. Ich packe zwei große blaue IKEA-Taschen ein und gehe los. Duschen lohnt eh nicht – der Fußgeruch ist allgegenwärtig.

Pünktlich um 11 Uhr bin ich wieder bei der Messe. Es nieselt ein wenig und von einem geordneten Einlass ist wenig zu erkennen. Von allen Seiten drückt und schiebt es. Ein Blick auf Instagram bestätigt meine schlimmsten Vermutungen: Alles außer THC und CBD soll runter von der Messe! Wenn noch ein Krankenwagen kommt, droht die Schließung! Was für ein Desaster, denke ich und verfluche leise die THC-Legalisierungsbewegung, die dafür verantworlich ist und meine Messe für sich vereinahmen will. Lächerlich, dass der Veranstalter dem Druck nachgibt. Scheisshippies.

Nach einer Stunde schieben bin ich drin. Die Stände mit den Produkten sind augenscheinlich weg. Ich bin maßlos enttäuscht und schlurfe ziellos durch die Messegänge. Was soll man hier sonst machen? In meiner offensichtlichen Not dann die Rettung: Zwei Herren mit weißem Kittel sprechen mich an. Auf Brusthöhe steht mit einem grünen Edding „Dr. Ansay“ geschrieben. Ob ich Patient werden wolle, man hätte einen Lieferdienst für medizinische Blüten, die direkt auf die Messe geliefert würden. Bereitwillig gebe ich den Männern meine Daten, Steuernummer, Kreditkartendaten mit Prüfziffer, die Adresse meines Arbeitgebers und den Namen meiner Katzen. Sie machen einen vertrauensvollen Eindruck und stehen fest auf dem Boden der DSGVO. Als sie mir allerdings sagen, dass ich bei ihnen nur Blüten mit THC zu absurden Preisen kaufen kann, möchte ich das Angebot gerne zurückziehen. Ich bin nur für THC-P gekommen. Die beiden ziehen schulterzuckend ab, meine Daten würden sie trotzdem behalten. Da ich nichts zu verbergen habe, stimme ich zu. Warum ich Patient werden soll, hab ich auch nicht verstanden. Ich bin gar nicht krank, aber vielleicht sah ich in dem Moment so aus? Kann gut sein, ich war immer noch traurig wegen OnlyGrams.

Das Getümmel auf der Messe erreicht seinen Höhepunkt. Das Gedränge und die Lautstärke machen mich nervös und ich tiger vorbei an Ständen von Softwarelösungen für diese Social-Clubs Fußgeruchfans und Anbietern von Verdampfern und Konsumparapharnelia. Ein Typ mit einem Bauchladen kommt mir entgegen. Ich kann mein Glück kaum fassen! Es ist alles noch da und mit fetten Rabatten versehen! 70% reduziert, wenn ich direkt zuschlage. Ich zücke meine IKEA-Taschen und schlage sie geräuschvoll auf. Mein Konto weint, während ich mein Dispo ausreize, aber was solls! Die Stände mögen verwaist sein, aber ein richtiger Dealer lässt sich nicht unterkriegen. Ich bedanke mich bei dem Händler und bewege mich schwer bepackt in Richtung Ausgang.

Während ich den leeren Eingangsbereich durchschreite, bemerke ich draußen eine Menschenmenge von etwa 2000 Besuchern. Es herrscht ein Einlassstopp. Wie sich später herausstellt, wurde die Messe wohl überbucht. Da es draußen keinerlei Crowd-Control gab standen da teilweise ein paar Tausend Menschen in der Hitze und sind dabei unter anderem auch umgekippt. Ich sehe die neidvollen Blicke, auf mich und mein Haul. Pech gehabt, da müsst ihr Kiffer schon früher aufstehen! Das hätte man auch echt vorher wissen können. Einige, die extra für den Messesamstag angereist sind, werden wohl auf den Kosten für Fahrt und Hotel sitzen bleiben, ohne einen Fuß in die Messe gesetzt zu haben.

Ich fahre mit dem Taxi nach Hause, um meinen Einkauf abzulegen. Meine Frau hat die Laken gewechselt und faselt irgendwas von Scheidung, weil ich gestern völlig straff das Katzenklo benutzt habe. Sie zeigt mir ein Video davon, auf dem sie mich anschreit. Ich schaue mit roten Augen in die Kamera und hauche ein Miau heraus, während ich mein Geschäft mit der Schippe mit Streu bedecke. Wilde Szene. Ich erinnere Sie an ihre Versprechen „in guten wie in schlechten Zeiten“ und küsse ihr auf die Stirn. Ich muss auch schon wieder los!

Im Rahmen der Mary Jane finden diverse Side-Events statt. Es wurde einiges aufgefahren und der Rest der verbliebenden Berliner Club-Kultur hat sich angeboten diese Veranstaltungen zu hosten. Ich mache mich mit der U-Bahn auf dem Weg nach Friedrichshain. Nachdem ich 14 Anrufe von meiner Frau weggedrückt habe, komme ich an einem beliebten Berliner Nachtclub an. Es ist 17 Uhr. Das Ticket zum Preis von 35€ wird eingescannt und ich darf in die exklusive Welt der neuen legalen Subkultur eintreten. Ich bestelle an der Bar standesgemäß eine Flasche Wodka mit 6 Dosen Red-Bull und suche meinen THC-P Fanclub. Der Innenbereich ist angefüllt mit einem offenen Schwarzmarkt bekannter US-Marken. Es hat was von einem schlecht beleuchteten Trödelmarkt. Da es sich nur um THC-Produkte handelte, die dazu auch noch schweineteuer waren, setze ich mich verwirrt in eine Ecke des Ladens. Was ist nur los hier, wieso gibt es keine Cannabinoidvarianz? Meine Freunde stoßen dazu und wir trinken jeder ein Wodka-E und ich beginne gedankenverloren an der Schokolade mit dem Wirkstoff aus Fliegenpilz-Derivat zu knabbern. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keinerlei Erfahrung mit Psychedelika oder Dissoziativa, aber ich hab schonmal Yellow-Submarine gesehen. Was soll schon passieren? Die Schokolade war sehr lecker und die Dame, die sie mir auf der Messe verkauft hat war sehr lieb.

Ich hoffe sehr, dass die Messe nächstes etwas sortierter wird. Vielleicht könnte man sich das ganze Drumherum mit dem Hanf ganz sparen und einfach direkt nur synthetische Cannabinoide anbieten? Wäre ein Träumchen und die ganze Hippie-Crew würde sich weniger aufregen. Sollen die doch ihre eigene Messe machen. Mit Hanf und was weiß ich nicht allem. Ich bemerke noch, wie die Welt um mich riesengroß erscheint und ich langsam dissoziiere.

5 Gedanken zu „Recap: Mary Jane 2024“

  1. Dein Artikel ist klasse! Der Humor ist top und die Kritik sitzt. Hat Spaß gemacht zu lesen und regt echt zum Nachdenken an. Hatten auf der Mary Jane 1zu1 die selben Erfahrungen und Beobachtungen gemacht.

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  2. Herbert,

    „…und ich danke dem Bewusstlosen still für seinen Einsatz für die Wissenschaft.“

    Ich schmeiss mich wech 🙂
    Bestes Messe Recap ever.
    Gut das diese THC Hippies dich nicht noch angegangen sind. Habe gehört das Zeug macht Aggro!
    Dir alles gute!

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  3. fantastisch HGP! ich danke dir sehr, dass du mir meinen neid nicht dagewesen zu sein komplett zu nichte gemacht hast. liebe für die bro… äh pro!

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